Warum gibt es für Lichtenberg keine zusätzlichen Kinderärzte?

Kleine Anfrage Benjamin Hudler - KA/0175/VIII

Das Bezirksamt wurde um folgende Auskunft gebeten:

 

  1. Sind dem Bezirksamt die Vereinbarungen des Senats mit der Kassenärztlichen Vereinigung sowie den Kranken- und Ersatzkassen und deren Verbänden bekannt, wonach in fünf Bezirken zusätzliche Plätze für Kinderärzte- und psychologen geschaffen werden?

 

  1. Welche Anstrengungen hat das Bezirksamt unternommen, die Situation der ärztlichen Versorgung im Bezirk, dem Senat zu verdeutlichen?

 

  1. Warum ist es dem Bezirksamt nicht gelungen, ebenfalls zusätzliche Arztplätze für den Bezirk Lichtenberg zu bekommen?

 

4.      Wie wird das Bezirksamt zukünftig den hohen Bedarf an Ärzten, vor allem in der Großsiedlung Hohenschönhausen oder auch in Friedrichsfelde gegenüber dem Berliner Senat so verdeutlichen, dass daraus entlastende Maßnahmen abgeleitet werden können?

 

5.    Welche weiteren Anstrengungen wurden unternommen, um den Bau kommunaler MVZs zu ermöglichen oder zumindest eine konzeptionelle Grundlage dafür zu schaffen?

 

Das Bezirksamt teilt Folgendes mit:

 

Zu Frage 1:

 

                Ja.

 

Zu Frage 2:

 

Der Versorgungsauftrag zur Sicherstellung der ambulanten medizinischen Versorgung obliegt der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin in Abstimmung mit der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung.

Das Bezirksamt Lichtenberg besitzt keinen Gestaltungseinfluss in der Gesundheitsplanung der ambulanten medizinischen Versorgung. Die Handlungsmöglichkeiten, die das Bezirksamt voll ausschöpft, umfassen Analysen, Gespräche und Öffentlichkeitsarbeit.

Vor diesem Hintergrund wurde bereits 2016 z.B. die Studie bei der IGES Institut GmbH zum Thema: Ambulante ärztliche Versorgung in den Berliner Bezirken Lichtenberg und Neukölln, beauftragt. Die Ergebnisse der Studie wurden vergangenes Jahr der Öffentlichkeit (BVV, 13.07.2017; DS/0326/VIII) vorgestellt. https://www.berlin.de/ba-lichtenberg/auf-einen-blick/buergerservice/gesundheit/artikel.596005.php

Seit Veröffentlichung der Ergebnisse führt das Bezirksamt sowohl auf bezirklicher, als auch auf Landesebene viele Gespräche zur Verbesserung der ambulanten medizinischen Versorgung in Lichtenberg und der dringend notwendigen Unterstützung. So hat das Bezirksamt mit potenziellen Partnern, wie der Charité oder dem Vivantes Klinikum bereits begonnen, mögliche Lösungswege zu prüfen. Das Bezirksamt hat sich ebenso wiederholt an die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung und die Kassenärztliche Vereinigung Berlin gewandt und auf eine Änderung gedrungen. Dabei hat es deutlich gemacht, wie angespannt die Lage in Lichtenberg ist, wo Kinderärzt*innen über 67 keine Seltenheit mehr sind, Praxen ohne die notwendigen Nachfolger*innen gefunden zu haben aufgegeben werden müssen.

Das zentrale Thema der geführten Gespräche war besonders die durch das Bezirksamt Lichtenberg als überholt eingeschätzte Bedarfsplanungsrichtlinie aus den 1990er Jahren, die bei der Berechnung der Versorgungsquote durch die Kassenärztliche Vereinigung Berlin nach wie vor zugrunde gelegt wird.

Diese Vorgehensweise hat eine unzureichende Bedarfsplanung zur Folge, da die aktuelle tatsächliche Bedarfsentwicklung gar nicht erhoben werden kann.

Einflussfaktoren, wie der Bevölkerungszuwachs durch Zuzug, stark gestiegene Geburtenzuwächse, aber auch die demographische Entwicklung, oder der Anteil der Transferleistungsbezieher*innen werden nicht in ihrem aktuellen Vorkommen und den Entwicklungstendenzen berücksichtigt und abgebildet.

Ein noch dramatischerer Effekt bei der von der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin vorgenommenen Berechnung der Versorgungsquote ist, dass für bestimmte Fachgebiete, wie das zum Beispiel das bei Kinderärzt*innen der Fall ist, dem Bezirk sogar eine Überversorgung   attestiert wird.

 

Um auf diese Missstände aufmerksam zu machen, hat das Bezirksamt Lichtenberg entsprechende gesundheitspolitische Forderungen formuliert und diese der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung bekanntgegeben und auch in die zuständigen Fachgremien (z.B. Sitzung der Gesundheitsstadträt*innen) eingebracht, darunter

 

·         Einführung bezirklicher Planungsregionen

·         Pilotprojekt einer bezirklichen Bedarfsplanung für die Bezirke Lichtenberg und Neukölln

·         Die Gründung eines bezirklichen medizinischen Versorgungszentrums muss geprüft werden

·         Regelmäßige bezirkliche Mitwirkung im Gemeinsamen Landesgremium  

·         Nutzung bestehender Anpassungsinstrumente bei erhöhtem Versorgungsbedarf

 

https://www.berlin.de/ba-lichtenberg/auf-einen-blick/buergerservice/gesundheit/artikel.596005.php

 

Der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung ist die Lichtenberger Versorgungssituation bekannt.

 

Zu Frage 3:

 

Das Bezirksamt Lichtenberg ist in diese Entscheidung nicht einbezogen, da sie, wie unter 2. bereits erläutert, in den Zuständigkeitsbereich der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung in Abstimmung mit der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin fällt. Die Verteilung der zusätzlichen Arztsitze erfolgte vermutlich anhand des rechnerischen Versorgungsgrades der jeweiligen Bezirke. Dabei gilt ein Bezirk mit einem Versorgungsgrad von 110 % als überversorgt. Der Bezirk Lichtenberg hat lt. der angewandten Berechnungsmethode bei der kinderärztlichen Versorgung einen Versorgungsgrad von 124,2 %, wohingegen die Bezirke, die nun die zusätzlichen Arztsitze erhalten, einen geringeren Versorgungsgrad aufweisen als Lichtenberg (siehe nachfolgende Tabelle).

Bezirk

Versorgungsgrad Kinderärzte am 01.01.2017[1]

Lichtenberg

124,2 %

Neukölln

95,2 %

Reinickendorf

96,0 %

Marzahn-Hellersdorf

105,7 %

Treptow-Köpenick

112,4 %

Spandau

106,0 %

 

Zu Frage 4:

 

Es besteht zwischen dem Bezirk und der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung kein Dissens in der Auffassung zu der Einschätzung der Bedarfe in der Ärzteversorgung durch das Bezirksamt.

Leider besteht jedoch zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin einerseits und dem Bezirk und der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung andererseits keine abschließende Einigung in der Auffassung zu den errechneten und realen Bedarfen. Die berechnete Betrachtung mit Versorgungsquoten weit über 110 % lässt aus Sicht der KV keine Handlungsspielräume zu. Das Bezirksamt informierte wiederholt die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung über die Verschlechterung der Lichtenberger Versorgungslage.

Das Bezirksamt wird sich weiterhin mit all seinen Möglichkeiten für die Umsetzung der formulierten Forderungen (siehe 2.) einsetzen.

Zu Frage 5:

 

Zu diesem Thema finden seit Anfang des Jahres 2018 Sondierungsgespräche (siehe Frage 2) mit potentiellen Partnern zum Beispiel der Charité und Vivantes statt. Ebenso wurde durch das Bezirksamt Kontakt aufgenommen zu niedergelassenen Ärzt*innen, anderen Bezirken, den bezirklichen Krankenhäusern und der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, sowie der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin.

 

Dabei wurde deutlich, dass der Bezirk keine Handlungskompetenz zum Bau eines „kommunalen MVZ“ hat. Von einem „kommunalen MVZ“ in alleiniger bezirklicher Eigenregie muss Abstand genommen werden, aufgrund von finanziellen/rechtlichen Risiken. Weitere Schritte können jedoch sein, dass der Bezirk Kooperationsvereinbarungen mit öffentlich-rechtlichen Trägern oder privat-rechtlichen Trägern anstrebt. Hierzu haben ebenso bereits erste Gesprächstermine stattgefunden, weitere sind noch vor der Sommerpause eingeplant.

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